Eines Tages laufe ich vom Mercado Del Puorto zurück zur Strandpromenade Las Canteras de Gran Canaria. Auf der rechten Seite sehe ich ein Schild: Art Gallery.
Ich gehe hinein. Drinnen ist es wirklich bunt. Viele Bilder hängen. Noch mehr stehen auf dem Boden. Voreinander. Übereinander. Da tobt sich einer aus.
Aber wer?
Ich mache mich nach einer kleinen Runde in der Galerie mit einem vorsichtigen „Hello“ bemerkbar. Hörbar erschrickt sich jemand. Aus dem hinteren Teil des Ladens kommt ein großer Mann auf mich zu. Rote Jogginghose. Bunte Cappie. Langer Bart. Insgesamt viel Farbe.
Ich erkenne an seiner Stimme sofort, dass der Mann Skandinavier ist. Martin kommt aus Dänemark. Das ich aus Deutschland komme, kann er nicht sofort zuordnen. Er selbst habe jahrelang am Flughafen von Kopenhagen gearbeitet. Und sei bei der kulturellen und sprachlichen Personenidentifizierung eigentlich ziemlich treffsicher. Das mein Aussehen und mein Englisch keinen klassischen deutschen Einschlag haben, höre ich nicht zum ersten Mal. Ich nehme es als Kompliment.
Der Däne hat in seinem Leben, ohne im Gespräch genau darauf einzugehen, viel Stress erlebt. Ein Freund riet ihm damals nach Gran Canaria zu fliegen.
Martin blieb. Jetzt wohnt er in Las Palmas. Mit seiner Freundin aus Kolumbien. Und seinem 17-jährigen Sohn.
Es war ein großer Aufwand, sich um die ganzen Konzessionen zu kümmern, dass seine Art Gallery eröffnen durfte. Und dann noch so nah am Strand. In einer von Touristen durchfluteten Lage.
Heute ist Martin Künstler. Es sei einfach. Alles Kreative habe er jahrelang unterdrückt. Jetzt habe er die Schleuse einfach geöffnet. Motive aus seiner Kindheit sprudeln hervor. Er bezeichnet seine Bilder als childish und colorful.
Was definiert, dass ein Bild vom Künstler 500€ wert ist?
Martin ist in seiner Antwort klar: “Das Bild muss eine emotionale Verbindung und Exklusivität haben.” Er fragt sich und andere immer: “Hast du so etwas schon irgendwo gesehen?”
Und wenn seine emotionale Bindung zum geschaffenen Werk nachlässt, geht Martin auch runter mit dem Preis. Dann auf 300€. Was den Künstler zugegeben ärgert.
Und wie können die Touristen die gekauften Bilder im Großformat überhaupt in ihre Länder bringen? Martin hat gelernt, wie man Canvas vom Rahmen abspannt und zusammenrollt. „Vom Flughafen in Kopenhagen“, lächelt er in seinen Bart hinein.
An diesem Mittag gönnt sich Martin mit seinen auffallend blauen Augen vor seiner Galerie eine Zigarette. Er scheint in seiner neuen Heimat angekommen zu sein. Seine Verbindung zum Fußball, speziell zu Tottenham Hotspur, bleibt aber ungebrochen. Aber auch den lokalen Verein UD Las Palmas verfolgt er mit großem Interesse.
„Trotz aller Herausforderungen, bin ich zufrieden mit meinem Leben“, sagt Martin durch seinen Zigarettenrauch hindurch. Er ist seit mehreren Jahren auf der kanarischen Insel und hat die Corona-Zeit überstanden. Er brauche keinen Urlaub mehr, um den Stress zu verarbeiten. Stattdessen: Inselleben.
Heute malt der Künstler farbenfrohe Bilder, druckt T-Shirts für die lokale Fußballmannschaft und besprüht touristische Postkarten mit der Sprühdose. Klingt nach einem langen Kindergeburtstag.
“My mind tends to overthink”, gesteht der liebe Däne. Martin’s Strategie dagegen: Kein Smartphone. Eine Leinwand. Und vieeeeeeeeeel Farbe.
