Ich liebe Markthallen. Immer ein toller Ort um Menschen zu begegnen. Menschen zu beobachten. So auch im Mercado Central in Las Palmas de Gran Canaria.
Ich setze mich in die Cafeteria Churreria. Eine Institution seid 1957. Es wuselt an einheimischen Menschen, die vor oder nach ihrem Einkauf noch eine Pause einlegen. Der Lärmpegel ist hoch.
Mein Lieblingsplatz ist an der langen Theke. Hier sehe ich wie drei Grancanarios in hohem Tempo Kaffe zubereiten, frische Orangen durch die Saftpresse jagen und typisches Fritiergepäck mit einem Holzstab aus dem Öl fischen. Jeder Handgriff sitzt. Jeder weiß, was zu tun ist. Kein Weg wird umsonst gegangen. Team-Performance auf höchstem Niveau. Für mich immer eine Freude das live zu erleben.
Als ich im Januar 2023 die Cafetaria verlasse, fällt mir direkt daneben ein neues Cáfe auf. Hier ist es hell, leise und aufgeräumt. Eine junge hellblonde Frau steht hinter der Kaffemaschine. Es gibt nur drei Möglichkeiten: Cafe solo, Cafe con leche & Cortado.
Mein Espresso duftet herrlich. Ich setzte mich an die Glasscheibe, um das treiben in der Markthalle zu verfolgen. Ich mag dieses Ort. Ich will wieder kommen.
Als ich ein Jahr später zur Markthalle laufe, bin ich aufgeregt. Wird es dieses kleine Cáfe El Aroma noch geben?
Ja, ich sehe Carla schon durch die Scheibe. Sie steht mit ihrer wunderbaren warmen Ausstrahlung zwischen ihren dufteten Kaffeearomen. Als ich meinen Cafe solo bestelle, behauptet sie sogar, sie könne sich an meinen Besuch vor einem Jahr erinnern. Die gebürtige Canariona hat ihren Master in Wirtschaft gemacht. In Brüssel gelebt und studiert.
Ihr Vater hatte den Eckladen im ersten Stock 30 Jahre lang in der Markthalle vermietet. Davor war es ein Laden für frisch gehobelten Serrano Schinken. Doch als Corona kam, kündigte der langjährige Mieter.
Der Laden stand leer. Carla nutzte die Chance. Sie ist jetzt Besitzerin eines kleines Cáfes, wo es zwar nur ein Tisch an der Glasscheibe, dafür viele frisch gemahlene Kaffeesorten aus der ganzen Welt gibt. Das hat das Churria nicht. Und viele anderen Cáfes in Las Palmas. Ein Alleinstellungsmerkmal von Carla.
Die Anfangsphase vor zwei Jahren sei hart gewesen. Über sechs Monate stand direkt vor ihrem Laden eine Baustellen-Mauer. Kunden konnten ihren neuen Laden einfach nicht sehen. Der Grund: im Obergeschoss der Markthalle wurde ein großer Supermarkt gebaut. Jetzt ist dieser eröffnet. Dadurch hat auch sie mehr Durchlauf und mehr Kunden. Auch wenn es wirtschaftlich weiterhin schwer ist: Carla ist glücklich. Sie will nichts anderes machen.
In meinen zwei Wochen, wo ich in der Stadt bin, komme ich insgesamt fünf Mal ins El Aroma. Ich werde somit ein kleiner „Regular“. So nennt die stolze Besitzerin ihre treuen Kunden. Die oft täglich kommen. Manchmal auch mehrmals am Tag. „Oft sind es ältere Menschen, die wenige Menschen zum Reden haben“, so Carla.
Sie beklagt, dass die Gesellschaft immer individueller wird. Wenige fragen mehr nach Rat und Unterstützung. Es würde einem heute suggeriert, man müsse alles alleine schaffen. Das sei Unsinn.
Carla bezeichnet ihr Cáfe als Wohnzimmer. Es ist simpel, sauber und geordnet. Und es steht sogar ein Buchtausch-Regal darin. Alles soll so bleiben. Einzig über einfache Snacks zum Verkauf denkt sie noch nach.
Ich bin dankbar so einen herzlichen und persönlichen Ort gefunden zu haben. Es war mir jedes Mal eine Freude die Aura und Wärme von Carla zu spüren. Wie sie lacht, spricht und mit ihren Kunden umgeht, hat mir jedes mal das Herz geöffnet.
Ich bewundere sie für ihren Mut neben dem alten Platzhirsch Churria einen Gegenpol eröffnet zu haben, indem es ruhig und entspannt zu geht. Selten sind hier mehr als drei Menschen. Ich habe immer die Gespräche mit Carla genossen. Und ihre scharfe Gedanken zur Welt waren mir immer eine willkommene Inspiration.
Bei meinem letzten Besuch bringe ich ihr eine handgeschrieben Postkarte vorbei.
Ja, man sollte sich bei solchen Menschen immer bedanken.
Bis zum nächsten Jahr. Cafe solo. Carla.
