An diesen Satz kann ich mich noch genau erinnern: „Seine Stärke ist seine Stärke“. Diese Worte kamen 2016 aus dem Mund von Jordan Neumann, dem damaligen Head Coach der Schwäbisch Hall Unicorns. Der Texaner stellte in einer Präsentation am Super Bowl-Abend im heimischen Optima-Sportpark die neuen US-Imports für sein Football-Team vor. Gemeint war Devin Benton.
Als ich das Kraftpaket das erste Mal auf Haller Rasen spielen sah, wusste ich sofort, was der Trainer damals meinte. Der wuchtige und wendige Defensive Liner trieb mit unglaublichen Tackles und Sacks in jedem Spiel die Dauer seiner Highlightvideos in die Länge.
Egal bei welcher Sportart – mich begeistert die Verteidigung immer mehr als der Angriff. Gut eingespielte Abwehrreihen, gepaart mit hoher Disziplin und taktischem Verständnis, sind für mich eine Augenweide. Im Falle der Unicorns war Devin ein stabiler und unverzichtbarer Faktor. Zusammen mit seinen talentierten und erfahrenen Mitspieler sowie dem ehrgeizigen Defensive Coordinator Johannes Brenner, wurde die bereits schon gute Abwehr auf ein nächstes Level gehoben.
Physisch. Diszipliniert. Fair.
Der Höhepunkt: German Bowl 2017.
In Berlin treffen die schwäbischen Provinz-Einhörner im Finale wieder einmal auf die potenten Löwen aus Braunschweig. In anderen Worten: Der FC Bayern des American Football.
In einer Regenschlacht bestimmen beide Abwehrreihen das Spiel. 11 Sekunden vor Schluss kann der Kicker von Braunschweig in einer guten Feldposition mit einem Field Goal den Gewinn der deutschen Meisterschaft klar machen.
Devin zeigt auch im Saisonfinale seine Stärke. Fast schon mühelos durchdringt er die beschützenden Guards des Kickers. Mit seiner Hand blockt er den fliegenden Ball. Später wird er zu dieser Szene sagen: „Ich wusste, Gott und mein Vater werden mir helfen.“
Die Unicorns gewinnen 14:13. Ihre dritte deutsche Meisterschaft. Zuvor hatte der Underdog drei Mal hintereinander im Finale gegen Braunschweig verloren. Was für eine Geschichte!
Devin sprintet über das Feld. Umringt von seinen Mitspielern weint er. Ein Fingerzeig geht in den verregneten Berliner Himmel. Wenige Tage zuvor war sein Vater in Amerika verstorben. Er flog in sein Heimatland, um von ihm Abschied zu nehmen. Rechtzeitig zum Finale, war er wieder bei seiner Mannschaft.
So wie auch beim Meister-Empfang der Mannschaft auf dem Haller Marktplatz. Für mich war Devin damals mit seinem Block über Nacht zu einem kleinen Held meiner Stadt geworden.
Ich hatte nie länger mit dem gebürtigen Texaner gesprochen. Man hat sich gegrüßt, wenn die US-Imports mal wieder in der Stadt ihr Mittagessen einnahmen. Devin war dann immer höflich. Nett. Bescheiden.
Diese Charaktereigenschaften zeigen sich auch Jahre später in einem Podcast, welchen er mit seinem ehemaligen Mitspieler Nik Alfieri aufgenommen hat. Der Mann, der mit verschiedenen Diäten experimentiert und als Gefängniswärter gearbeitet hat, ist jetzt Vater eines Sohnes. Devin strahlt Seelenfrieden aus. Sein Plan für die Zukunft? “Educate myself.”
2023 Optima-Sportpark: Auf der Gegentribüne, immer mein bevorzugter Sitzplatz, höre ich hinter mir eine bekannte Stimme. Devin ist zu Besuch. Er wird Zeuge wie sein ehemaliges Team an diesem Tag von einer französischen Rumpftruppe eins auf den Sack bekommt. Viel hat sich bei den Unicorns durch den Sog einer neu etablierte europäische Konkurrenzliga verändert. Neue Trainer, neue Spieler, neuer Vibe.
Eines bleibt aber gleich: Devin ist immer willkommen in Unicorn-Town. Ich bedanke mich als Fan für seinen Einsatz. Als Spieler. Als Mensch.
Ein Handschlag. Ein Foto. Eine unerwartete Begegnung mit einem starken Menschen.
